Das richtige Maß (der goldene Mittelweg)
Wenn man sich die Ur-Wissenschaft anschaut, dann findet man vollkommen exakte mathematische Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften materieller Systeme und ihrem Verhalten. Nehmen wir als Beispiel einen Planeten, der um die Sonne kreist. Die Bahn des Planeten um die Sonne wird von seinem Gewicht, seiner Geschwindigkeit und seinem Abstand zur Sonne bestimmt. Es handelt sich um ein äußerst präzises Gleichgewicht. Gravitation und Fliehkräfte heben sich genau auf. Erhöht man die Geschwindigkeit oder den Abstand, fliegt der Planet aus dem Gravitationsfeld der Sonne heraus. Verringert man die Geschwindigkeit oder den Abstand, stürzt der Planet in die Sonne hinein.
Genauso präzise sind die Zusammenhänge im Bereich der nicht-materiellen Aspekte der Realität. Auch hier spielt Energie eine Rolle und vor allem spielen die Größenverhältnisse von interagierenden Energien eine sehr präzise bestimmende Rolle für die Wirkung, die sich daraus ergibt. Wenn uns die Zusammenhänge im Bereich der nicht-materiellen Aspekte der Realität unpräzise erscheinen, dann liegt das nur daran, dass wir die beteiligten Energien nicht messen können.
Noch mal zur Erinnerung die grundlegende Gesetzmäßigkeit hinter den Wirkungen, die das Ich mit seinen Ideen und seinem Verhalten auf die Welt ausübt:
- Das Ich richtet sein Verhalten nach seiner Weltsicht aus, um im Zusammenspiel mit der Welt bestimmte Wirkungen zu erzielen.
- Die Weltsicht des Ich enthält die Vorstellungen des Ich über das Verhalten der Welt.
- Mit dem Verhalten des Ich werden dessen Vorstellungen vom Verhalten der Welt auf die Welt projiziert.
- Die Welt nähert sich daraufhin mit ihrem Verhalten der Weltsicht an. Dieser Effekt existiert nicht, wenn die Weltsicht des Ich mit der Realität übereinstimmt, was gleichbedeutend damit ist, dass die Vorstellungen des Ich vom Verhalten der Welt richtig sind.
- Es gibt demzufolge zwei Wirkungen, die das Ich auf die Welt ausübt:
- die vom Ich bewusst angestrebte "unmittelbare Wirkung"
- die durch die Abweichung der Weltsicht von der Realität erzeugte Verzerrung im Verhalten der Welt, die sich eher langfristig auswirkt
- Wenn Weltsicht und Realität übereinstimmen, dann gibt es nur die unmittelbare Wirkung. Das Verhalten des Ich ist dann maximal effektiv.
- Wenn Weltsicht und Realität gar nicht übereinstimmen, dann gibt es nur die langfristig wirkende Verzerrung im Verhalten der Welt und eine allenfalls unerwünschte unmittelbare Wirkung.
- Und dann gibt es aber auch alle Abstufungen einer Mischform: ein teilweise effektives Verhalten gemischt mit einer teilweisen Verzerrung
Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die bereits erwähnten Beispiele an, zunächst das Thema Ernährung:
Das Bedürfnis des Ich nach Süßigkeiten steht der Idee gegenüber: "Zucker ist ungesund und macht dick". Das ist ein scheinbar unlösbarer Widerspruch: Entweder bleibt das Ich unerfüllt oder es muss mit den negativen Konsequenzen leben.
Tatsächlich aber gibt es eine Lösung in Form eines gesunden Gleichgewichts, das sich ähnlich präzise gestaltet, wie das eingangs erwähnte Beispiel einer Planetenbahn:
Ich nenne es "das richtige Maß": Das ist genau die Menge an Süßigkeiten, welche die Bedürfnisse des Ich und des Körpers erfüllt, ohne den Körper dabei zu überfordern.
Manch einer wird an dieser Stelle sagen "Aber Zucker ist immer schädlich in egal welcher Menge." Aber das ist genau die Extrem-Sicht des rational isolierten Verstandes. Der rationale Verstand in seiner isolierten Form pendelt hilflos zwischen den Extremen und kann das Problem nicht auflösen, das auf allein rationaler Ebene nicht lösbar ist. Er ist in den scheinbar unauflösbaren rationalen Gegensätzen gefangen. Er kennt nur "Ja" oder "Nein" und "Schwarz" oder "Weiß". Der rational isolierte Verstand ist alleine nicht zu differenzierter Betrachtung fähig, wie sie die Komplexität der Realität aber erfordert. Er neigt zu totalen Übertreibungen in die ungesunden Extreme. Er ist nicht fähig, das "richtige Maß" zu finden, weil diese Aufgabe auf allein rationalem Wege nicht lösbar ist. "Gar keine Süßigkeiten" ist bezogen auf das Gesamtsystem aus Körper und Geist genauso ungesund wie "Süßigkeiten im Übermaß", weil dabei wichtige Bedürfnisse einfach übergangen werden.
Die Ernährungswissenschaft sieht den Körper als eine rein biochemische Maschine. Und diese Sicht ist aber falsch. Der Körper ist ein Vehikel des Ich, das nach Erfüllung strebt. Und im Puzzle der Erfüllung des Ich spielen Süßigkeiten eine zwar untergeordnete, aber dennoch wichtige Rolle. Sie sind ein legitimer Teil des menschlichen Seins und menschlicher Erfüllung. Und ganz egal, was auch immer die Ernährungswissenschaft dazu behauptet - der Körper kann mit einem gewissen Maß an Süßigkeiten ohne Schaden zu nehmen umgehen. Das kann er aber nicht, wenn jedem kleinen Stückchen Schokolade ein brennendes schlechtes Gewissen folgt. Damit die vom Ich angestrebte Erfüllung funktioniert, muss man fähig sein, Süßigkeiten ohne schlechtes Gewissen zu genießen. Aber wer kann das denn noch, bei all den Abschreckungsmeldungen der Ernährungswissenschaft? Der Körper ist keine biochemische Maschine! Der Körper ist ein Vehikel des Ich auf dessen Weg zur Erfüllung. Und am Ende wird er sterben. Da kann man sich mal die Frage stellen, was eigentlich wichtiger ist: 60 wirklich erfüllte Jahre oder eine Verlängerung auf 90 unerfüllte Jahre mit 20 Jahren Siechtum im Pflegeheim?
Der grundlegende Fehler liegt ganz einfach darin, den rein materiellen Betrachtungen des Körpers nicht "die Erfüllung des Ich" gegenüberzustellen. Ein typischer Irrtum der wissenschaftlichen Weltsicht, die nur die materiellen Aspekte der Realität sieht (Biochemie des Körpers) und die nicht-materiellen Aspekte der Realität (Erfüllung des Ich) als irrelevant oder nicht existent ignoriert. Aber der ganze Körper hat überhaupt nur den einen Zweck: die Erfüllung des Ich. Eine andere Existenzberechtigung hat er nicht.
Natürlich ist Sucht im Zusammenhang mit Süßigkeiten ein Problem, welches den Konsum von Süßigkeiten weit über das richtige Maß hinaustreibt. Aber dieses Problem muss dort gelöst werden, wo es entsteht und das ist eben nicht die Ernährung, sondern die fehlende Erfüllung in ganz anderen Bereichen des menschlichen Lebens.
Das schwarz-weiß-Denken ist ein typisches Kennzeichen des rational isolierten Verstandes, der in diesem Zustand keinen Zugang zum "richtigen Maß" hat. Der isolierte Verstand hat kein Kriterium für Abstufungen und pendelt deshalb zwischen den Extremen hin und her. Der Schlüssel zum richtigen Maß ist die innere Wahrnehmung, die sich aus der Überwindung der rationalen Isolation ergibt. Das "richtige Maß" ist ein direkter Bezug zur Realität, der auf rein rationalem Weg nicht herzustellen ist.
Im Erkenntnisprozess werden inner-psychische Verbindungen aufgelöst und neu verknüpft. Die Elemente der inneren Wahrnehmung, die eigentlich für die Steuerung des Verhaltens mitverantwortlich sind - tauchen aus der Versenkung auf und werden mit dem Verhalten verbunden. Gleichzeitig werden die falschen Ideen sichtbar, die bisher das Verhalten steuerten. Ihr Einfluss auf das Verhalten wird gelöst. Das ist wie eine Änderung in der Verdrahtung einer elektronischen Schaltung bei welcher der Steuermechanismus ausgetauscht wird.
Das bedeutet aber nicht, dass jene Bezugsgröße, welche ich als "Energie des Ich" bezeichnet hatte, die Steuerung des Verhaltens komplett von den Konzepten übernimmt. Es gibt gewisse Lehren, die genau diesem Irrtum aufgesessen sind. Vielmehr ergänzen sich im Idealzustand die "Energie des Ich" und eine korrigierte Weltsicht bei der Steuerung des menschlichen Verhaltens. Auf der gegenwärtigen Stufe der menschlichen Entwicklung besteht der Anspruch, das Verhalten des Menschen so vollständig wie möglich den Konzepten einer falschen Weltsicht unterzuordnen. Dabei wird die Energie des Ich auf häufig ziemlich brutale und ignorante Weise übergangen und unterdrückt. Nun geht es darum, die Weltsicht so zu korrigieren, dass sie der Energie des Ich zu ihrem angestammten Recht verhilft und gleichzeitig Sicherheit und Führung vermittelt.