Der Appetit
Es gibt einen Prozess, der für die psychische und physische Gesundheit des Menschen von großer Bedeutung ist. Im Rahmen der Ernährungswissenschaft spielt er aber kaum eine Rolle:
- Der Körper meldet über seinen Appetit ein spezifisches Nahrungsbedürfnis.
- Der Körper bekommt, was er will.
- Essen mit Genuss, welches genau den spezifischen Appetit in diesem Moment erfüllt.
Wirkliche Erfüllung ist im Rahmen der inneren Wahrnehmung mit einer ganz spezifischen Art von Empfindung verbunden. Es hat etwas von "Ahhhh! Endlich!!!". Alle Arten von Erfüllung gleichen sich darin in einer gewissen Weise. Es ist dies vielleicht der bedeutsamste Vorgang innerhalb der Psyche überhaupt: Die "Seele" (das "Ich") bekommt, was sie wirklich will. Das gilt auch, wenn im Rahmen der Nahrungsaufnahme der Körper bekommt, was er will, da Körper und Ich auf das Engste miteinander verbunden sind.
Eigentlich sollte das beschriebene Wechselspiel von Appetit und Erfüllung das bestimmende Element bei der Nahrungsaufnahme sein. Aber es wird von zahlreichen Faktoren gestört und überlagert:
- Das Suchtbedürfnis überlagert den natürlichen Appetit des Körpers.
- Das Bedürfnis nach Suchtbefriedung kommt dem Appetit zuvor (zu kurze Zeitspanne bis zur nächsten Mahlzeit).
- Der Appetit kann sich nicht bis zur nächsten Mahlzeit einstellen, weil aus Suchtgründen bei der Mahlzeit zu große Mengen gegessen wurden.
- Essen als Sucht führt dazu, dass besonders starke Geschmacksreize gesucht werden, die den natürlichen Geschmack der Speisen überlagern (süß, scharf, fettig, opulent).
- Regelmäßige betont starke Geschmacksreize führen dazu, dass der natürliche Geschmack der Speisen fad erscheint.
- Der krampfhafte Versuch, sich gesund zu ernähren führt zu einer Daueranstrengung, den Appetit zu überwinden, was zur Folge hat, dass der Appetit gar nicht mehr wahrgenommen wird.
- Essen muss effektiv sein und darf keine Zeit kosten, weil keine Zeit da ist. Es wird also auf die Schnelle reingeschoben, was gerade verfügbar ist.
- Das Essen selbst ist als von der unangenehmen inneren Wahrnehmung ablenkender Reiz nicht stark genug, weshalb dann beim Essen noch mit dem Handy gespielt, Zeitung gelesen, Radio gehört oder ferngeschaut wird.
- Für eine wirklich hochwertige Ernährung existiert gar keine wirkliche Infrastruktur. Die ist eher auf Fast-Food und Industriefraß ausgerichtet. Die wirklich guten Angebote muss man geduldig suchen.
- Es darf nichts weggeworfen werden. (Tatsächlich?) Deshalb wird der Körper als Müllschlucker missbraucht. Was man irgendwie in sich reingestopft hat, hat man immerhin nicht weggeschmissen.