Heilung

Heilung ist eine spezifische Anwendung des Erkenntnisprozesses. Genauer gesagt werden unter dem Oberbegriff Heilung verschiedene Muster der Anwendung des Erkenntnisprozesses zusammengefasst, weil es bei all diesen Mustern darum geht, dass der menschliche Körper in seinen gesunden Normalzustand zurückkehrt.

Es geht in meinen Ausführungen übrigens nicht darum, die Medizin oder ihre Erfolge in Frage zu stellen. Die Medizin kann zahlreiche gesundheitliche Probleme lösen helfen. Aber einige Probleme kann sie nicht lösen und wird sie auch nicht lösen können, weil sie die Ursachen an der falschen Stelle sucht. Tatsächlich geht es um eine Differenzierung: Wo kann die Medizin helfen und wo braucht es andere Lösungsansätze? Einige Bereiche der Medizin, insbesondere der ganze Bereich der Psychopharmaka, sind meiner Einschätzung nach ein kompletter Irrweg, weil die Symptome hier nur auf Kosten der psychischen Leistungsfähigkeit unterdrückt werden. Eine Heilung ist das nicht, was auch die dauerhafte Medikamentenabhängigkeit in diesem Bereich zeigt. Aber in anderen Bereichen hat die Medizin große Erfolge erzielt. Ihre Anwendung im Kontext des Wissens um die Zusammenhänge zwischen Ideen (Weltsicht), Verhalten und Gesundheit würde die Medizin auf eine neue Stufe heben. Es gibt keinen Widerspruch zwischen der Medizin und den Ideen dieses Buches bzw. gibt es nur dort Widersprüche, wo die Medizin den Bereich ihrer sinnvollen Anwendung verlassen hat.

Einer der zentralen Irrtümer der Medizin ist es jedoch, den Körper als etwas anzusehen, das einfach so zufällig kaputt gehen kann wie ein Auto und das dann repariert werden muss. Der menschliche Körper ist ein extrem leistungsfähiges, selbst regenerierendes System. Wenn dieses System aus dem Gleichgewicht gerät, dann hat das eine Ursache. Ein gesunder Körper ist der Normalzustand, für den es keine Anstrengungen und auch kein "Glück" braucht. ("Die Gnade Gottes ist vollkommen bedingungslos.")

Ein weiterer Irrtum ist es zu glauben, die Medizin würde heilen. Heilung geschieht immer durch den Körper und die Medizin nimmt dabei eine unterstützende Rolle ein.

Bisher hatte ich den Erkenntnisprozess meistens so geschildert, dass im ersten Schritt Aktionismus eingestellt wird, wobei der Ausgangspunkt ein Problem ist, das bisher mit Aktionismus bekämpft wurde. Das ist aber eigentlich ein Spezialfall. Die allgemeinere Darstellung geht so:

Ausgangspunkt für den Erkenntnisprozess ist eine Abweichung vom natürlichen Verhalten, die durch falsche Ideen in der Weltsicht verursacht wird. Der Einstieg in den Erkenntnisprozess ist eine Verhaltensänderung, welche in der Rückkehr zum "natürlichen Verhalten" besteht.

Das "natürliche Verhalten" ist, dass "das Ich" seine wirklich wichtigen Anliegen verfolgt im Rahmen der Grenzen, welche die Realität ihm setzt.

Die Rückkehr zum natürlichen Verhalten führt in die Konfrontation mit negativen Zukunftsprojektionen, welche die (partiell) falsche Weltsicht mit dem natürlichen Verhalten verknüpft.

Ich hatte bereits ein Krankheitsschema erwähnt, bei dem ein Mensch aus übertriebenen Befürchtungen heraus sein Verhalten einschränkt. Stellen wir uns als Beispiel vor, dass ein Mensch auf Unternehmungen mit anderen Menschen verzichtet, weil er befürchtet, im Rahmen dieser Unternehmungen in peinliche oder unlösbare Situationen zu geraten, z.B. auf Toilette zu müssen, wenn keine Toilette erreichbar ist. Es ist dies eine Befürchtung, wie sie für die Annahme einer Zufalls-bestimmten Welt typisch ist.

Wenn eine solche Befürchtung eine starke Verhaltenseinschränkung nach sich zieht, dann führt das zur Herausbildung einer Krankheit, die genau diese Befürchtungen Realität werden lässt: Der Körper verändert sich so, dass derartige Unternehmungen mit anderen nicht mehr möglich sind, weil genau das, was ursprünglich nur befürchtet wurde, nun aufgrund der körperlichen Einschränkungen tatsächlich eintreten würde.

Wenn die Medizin später die Krankheit untersucht, dann untersucht sie die organischen Phänomene dieser körperlichen Veränderungen und benennt diese als Ursachen. Dabei ist sie aber meilenweit entfernt, von den tatsächlichen Ursachen, die geistiger Natur sind. Das ist nebenbei bemerkt auch die Ursache aller Nebenwirkungen bei Medikamenten und Operationen: Es handelt sich um ein Herumlaborieren an Symptomen. Das System "Mensch" wird dabei nicht wirklich in sein gesundes Gleichgewicht zurückgeführt. Die Probleme werden lediglich an eine andere Stelle verlagert.

Der Einstieg in den Heilungsprozess besteht nun darin, zum natürlichen Verhalten zurückzukehren. Das bedeutet für das Beispiel, trotz aller Befürchtungen an Unternehmungen mit anderen Menschen teilzunehmen. Wenn die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten ist, dann kann das eine ziemlich große Herausforderung sein. Außerdem sind die Möglichkeiten für eine Rückkehr zum natürlichen Verhalten in den fortgeschrittenen Phasen der Krankheitsentwicklung eingeschränkt. (Wir erinnern uns an die Phasen der Krankheitsentwicklung: 1. fiktiv, 2. psychisch, 3. physisch, 4. irreversibel.) Wenn die vorhandenen Freiheitsgrade jedoch ausgenutzt werden, dann gibt es immer eine Entwicklung zum Besseren, auch wenn sie nicht mehr bis in den Bereich vollständiger Gesundheit reicht.

Mit der Rückkehr zum natürlichen Verhalten kommt es zur Konfrontation mit den negativen Zukunftsprojektionen. Das löst die negativen emotionalen Prozesse aus und alles Weitere folgt, wie bereits beschrieben. In den fortgeschrittenen Phasen "physisch" und "irreversibel" muss der Widerspruch in der Psyche über längere Zeiträume hinweg immer wieder gesucht und ausgehalten werden. Die Rückbildung einer schweren körperlichen chronischen Krankheit ist ein Monate- oder gar Jahre-lang andauernder Prozess. Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Entwicklung der Krankheit auch durch Jahre- oder gar Jahrzehnte-langes Verhalten vorangetrieben wurde. Es handelt sich dabei um die Umkehrung eines negativen Evolutionsprozesses

Ein weiteres Heilungsmuster oder auch ein einzelner Aspekt nahezu jeder Heilung ist der geistige Umgang mit negativen Körper-Empfindungen wie z.B. Schmerzen, aber vor allem auch leichterer negativer Empfindungen, die man noch nicht wirklich als Schmerz einstufen würde.

Solche negativen Körperempfindungen werden im Zustand der rationalen Isolation automatisch und unwillkürlich blockiert. Ich hatte ja bereits im Zusammenhang mit dem Erkenntnisprozess über die Blockade von Gefühlen gesprochen. So wie die innere Wahrnehmung nicht-materieller Prozesse das Pendant zur äußeren Wahrnehmung materieller Dinge und Prozesse ist, so gibt es auch ein inneres Pendant zur äußeren Beeinflussung des materiellen Geschehens:

Der Mensch kann auf vielfältige Weise auf seine äußere, materielle Umgebung Einfluss nehmen: mit seinen Händen, durch Kommunikation oder ganz allgemein gesagt durch sein Verhalten. Und genauso wie der Mensch auf äußere materielle Prozesse Einfluss nehmen kann, so kann er auch auf innere nicht-materielle Prozesse Einfluss nehmen. Diese Art der Beeinflussung innerer Prozesse geschieht aber eher unbewusst und unwillkürlich. Das liegt in erster Linie daran, dass die gegenwärtig vorherrschende Weltsicht darüber nur äußerst rudimentäre Informationen enthält, die dazu auch noch größtenteils falsch sind. Im Zusammenhang mit dem Erkenntnisprozess im Allgemeinen und Heilung im Besonderen geht es nun darum, die unbewusste Einflussnahme auf innere Prozesse dort zu ändern, wo sie sich für die menschliche Gesundheit oder sonstige Aspekte des menschlichen Lebens negativ auswirkt.

Der Mensch kann also Wahrnehmungen blockieren. An dieser Stelle geht es um spezifische Wahrnehmungen, nämlich um die Wahrnehmung unangenehmer Körperempfindungen. Durch die Blockade wird die Wahrnehmung davon abgehalten, sich zu entwickeln und ihre volle Intensität anzunehmen. Das mag auf rationaler Ebene vielleicht eine gewisse Logik haben: "Das ist unangenehm, das schalte ich ab.", ist aber im Sinne von Heilung nicht zielführend.

Gemeinsam mit der Wahrnehmung werden Ideen blockiert, die mit der Körper-Empfindung verbunden sind. Negative Körperempfindungen sind in der Regel mit Befürchtungen negativer gesundheitlicher Entwicklungen verbunden.

Man kann nun lernen, die Blockade negativer Körperempfindungen zu lösen. Das verstärkt die Wahrnehmung der Körperempfindungen und gleichzeitig drängen die damit verbundenen Befürchtungen ins Bewusstsein. Es scheint nun so, als wenn die negativen Befürchtungen sehr viel realer werden und sehr viel näher rücken.

Damit befindet man sich bereits direkt in einer Anwendung des Erkenntnisprozesses. Auch hier gilt wieder folgendes Paradox: Obwohl die Befürchtung auf geistiger Ebene nun sehr viel näher und realer erscheint, ist die tatsächliche physische negative Entwicklung aber erst mal gestoppt.

Eine harmlose Anwendung dieser Zusammenhänge zum Üben ist der Umgang mit Schmerzempfindungen bei kleinen Ungeschicken im Alltag, wenn man sich zum Beispiel irgendwo gestoßen hat. Im Kontext der gegenwärtig vorherrschenden Weltsicht werden jegliche Schmerzen grundsätzlich blockiert. Und das reduziert auch tatsächlich physische Leiden. Das folgt der Logik "Tut weh, also weg damit." Aber diese Logik ist falsch, denn die Blockade der Schmerzen blockiert die Heilungsprozesse des Körpers. Das spielt bei einem blauen Fleck keine wirkliche Rolle, da das der Körper auch gegen die Blockade schafft. Aber es ist gut zum Üben für den Anfang. Man kann in solchen Situationen versuchen herauszufinden, was es bedeutet, eine Blockade zu lösen:

Wenn man in sich herausfindet, was es bedeutet, die Blockaden zu lösen und sich zu öffnen, dann wird man herausfinden, dass die Schmerzen kleiner Alltags-Ungeschicke, ziemlich intensive Dimensionen annehmen können.

Gut, aber warum sollte man sich das antun? Warum sollte man sich so quälen, wenn der Körper den blauen Fleck auch trotz aller Blockaden wegbekommt?

Weil man diese Fähigkeit dann auch anwenden kann in Situationen, die der Körper nicht gegen die Blockade gelöst bekommt!

nächstes Kapitel: Musizieren (Die intelligente Welt)